Den Auftakt der Biografiegespräche 2022 mit unserem neuen Kooperationspartner, der Landeszentrale für Politische Bildung Nordrhein-Westfalen, hat das Aachener Moderatorenteam Renate Köll und Melih Serter gemacht. Nachdem das bisher genutzte Hotel in Monschau mitgeteilt hatte, seine Räume inzwischen anderweitig zu nutzen, begann eine intensive Suche nach einem anderen geeigneten Veranstaltungsort. Am Ende fiel die Entscheidung für das Hotel Vichter Landhaus in der StädteRegion Aachen. Nach der Flutkatastrophe wurde das Haus von Grund auf renoviert und saniert und war uns jetzt eine sehr schöne Bleibe.

Die sieben Teilnehmer:innen und die beiden Moderator:innen bezogen das frisch wiedereröffnete Hotel am Samstagmorgen pünktlich um 10 Uhr. Die achte Teilnehmerin hatte mehr als kurzfristig, eine Stunde vor Beginn der Biografiegespräche, krankheitsbedingt abgesagt, wodurch aber weder die Qualität noch das Konzept der Gesprächsrunde litt.
Nach einer kurzen Begrüßungsrunde starteten die beiden Moderator:innen mit ihrer eigenen Biografie. Höhen und Tiefen konnten in der geschützten Runde offen dargelegt werden – wohlwissend, dass das, was in dieser Runde erzählt wird, nicht hinausdringt.
Die Teilnehmer:innen selbst, zwei geflüchtete junge Frauen aus dem Norden Iraks, drei Einwanderer:innen mit türkischen und griechischen Wurzeln und zwei Deutsche hatten allesamt nicht damit gerechnet, wie intensiv und tiefsinnig sie diese zwei Tage erleben würden. Alle waren überrascht, wie viele Parallelen sie in den erzählten Lebensgeschichten mit ihrem eigenen Erlebten entdeckten. Sogar die Erziehung im Elternhaus, ganz gleich aus welchem Kulturkreis die Teilnehmer:innen stammten, war bei vielen ähnlich. So mussten zum Beispiel viele pünktlich um eine bestimmte Urzeit immer zu Hause sein, obwohl sie bereits volljährig waren.
Hin und wieder kamen bei den Teilnehmer:innen auch traurige Erinnerungen hoch. Doch dann gab es wiederum wunderbare Momente, in denen alle gemeinsam lachen konnten. Themen wie Gewalt und Untreue in der Partnerschaft oder im Elternhaus zogen sich durch viele Biografien. Bei anderen waren es die Erfahrungen von Verfolgung und Diskriminierung im Heimatland, sei es, weil man Minderheiten wie den Jesiden oder Kurden angehörte. Auch die Einwandererkinder der zweiten oder dritten Generation berichteten von konkreten Herabsetzungen in der deutschen Schule und im Alltag.
Während der Mahlzeiten wurde fleißig weitererzählt. Mal ging es um Beziehungen, mal um die Religion und die damit verbundenen Verpflichtungen, mal um das einfache Anhören, Verstehen und Nachvollziehen unbekannter Traditionen. Sogar am Abreisetag selbst hatte es niemand eilig, die tolle Runde zu verlassen.
Vielen Dank an alle, die mitgemacht haben und noch einmal ein Dankeschön an das Hotel. Das Aachener Team freut sich schon auf den 15. und 16. Oktober, wenn es die zweite Veranstaltung in Stolberg-Vicht moderieren darf.
Melih Serter
Zitate:
Ruth (62)
„Mir ist bewusst geworden, dass jeder hier seine eigene Geschichte hat und man trotzdem nicht allein ist mit seiner Vergangenheit“
Saim (36)
„Ich hatte immer gedacht, ich hätte viel durchgemacht, aber jetzt, wo ich die anderen Geschichten gehört habe, danke ich Gott für mein Leben und dafür, wo ich heute stehe.“