Über uns

Der Verein

Zusammenwachsen. Weiterdenken. Das sind die Intentionen, mit denen das ost-west-forum Gut Gödelitz e.V. 1998 als überparteilicher Verein gegründet wurde. Sein Ziel ist es, zur Verständigung zwischen den Teilen des wiedervereinigten Deutschlands und zwischen europäischen Sichtweisen beizutragen und die Grundsätze des sozialen und demokratischen Rechtsstaates in Zeiten der Globalisierung zu bewahren. Alles mit Blick auf aktuelle und historische Hintergründe, wirtschaftliche Tendenzen, politische und kulturelle Entwicklungen und persönliche Biografien, die unser Zusammenleben beeinflussen. Vorträge. Seminare und andere Veranstaltungen auf Gut Gödelitz tragen zur aktiven Auseinandersetzung mit der Gesellschaft bei, vermitteln Werte und wollen vor allem zum Weiterdenken animieren. Denn Zusammenwachsen kann eine Gesellschaft nur dann, wenn sich jeder aktiv einbringt.

Die Biografiegespräche

Ziel der Gödelitzer Biografiegespräche ist es, Menschen, die in unterschiedlichen kulturellen und gesellschaftlichen Kontexten aufwuchsen, einander näher zu bringen.

Mit den 1994 von Axel Schmidt-Gödelitz initiierten Biografierunden zwischen Ost-und Westdeutschen sollen vor allem die tiefgehenden Vorurteilsstrukturen aufgebrochen werden, die die Beziehungen zwischen Ost- und Westdeutschen belasten und die innere Einheit Deutschlands unvollendet lassen.

Seit 2009 wird das Gödelitzer Biografiemodell auch für den interkulturellen Dialog angewendet. Das ost-west-forum Gut Gödelitz e.V. veranstaltet seitdem in mehreren Bundesländern mit örtlichen Verantwortlichen Biografiegespräche zwischen Deutschen und Menschen, die aus der Türkei nach Deutschland gekommen sind. Im Jahr 2017  wurde das Gesprächsmodell erweitert um andere Zuwanderergruppen und Menschen mit einer Fluchtgeschichte. Außerdem gibt es Gespräche zwischen Deutschen und Polen und Deutschen und Russen.

Die Biografiegespräche sind der erste Schritt, um das Eis zu brechen. Durch regelmäßige Jour Fixe wird der begonnene Austausch fortgeführt. Eingeladen sind alle Teilnehmer bereits gelaufener Biografierunden, aber auch am Projekt ernsthaft interessierte Personen.

Das Team

Axel Schmidt-Gödelitz
Initiator

Seit 25 Jahren lade ich jeweils zehn Teilnehmer zu einer deutsch-deutschen BiografieRunde auf das Gut Gödelitz ein. Mehr als 3000 Menschen haben bisher daran teilgenommen. Die Idee stammt von Wolfgang Thierse und Professor Dr. Peter von Oertzen. Beide warben kurz nach der Wende öffentlich dafür, dass sich Menschen aus beiden Teilen Deutschlands zusammensetzen und ihre Biografien erzählen. Nur so könne die erst nach der Wende entdeckte Fremdheit zwischen Ost und West abgebaut werden. Denn tatsächlich glaubten viele Menschen vor der Vereinigung, die Deutschen seien eben Deutsche – außer politisch-administrativen, technischen oder wirtschaftlichen Problemen gäbe es zwischen den Menschen in Ost und West keinerlei Hindernisse, die zu überwinden wären.

Nun, wir wurden sehr schnell eines Besseren belehrt. Unsere Lebenswege, eingebettet in die unterschiedlichen Gesellschaftssysteme, haben uns stärker geprägt als uns bewusst war. In der allgemeinen Euphorie der Wendezeit hatten Ost- und Westdeutsche sehr unterschiedliche Erwartungen. Mittlerweile ist Ernüchterung, Enttäuschung, Ablehnung und Rückzug fester Bestandteil der innerdeutschen Gefühlslage. Vor allem in Ostdeutschland haben sich Verletzungen – durch eine Vielzahl unüberlegter, ungerechter und unsensibler Entscheidungen verursacht – tief eingegraben.

Hier versucht das Konzept der Biografiegespräche anzusetzen, wobei es das Zuhören, Reden und vielleicht auch das Sich-reden-Hören ist, das den besonderen Reiz und die besondere Form der Erkenntnis des Eigenen und des Fremden ermöglicht. Für mich persönlich sind die Gespräche wie ein Auftrag. Nach der Wende hatte ich die einmalige Chance, das Familiengut zurückzukaufen. 1946 war ich als Vierjähriger mit meiner Familie in den Westen geflohen. In Ulm machte ich später Abitur und in Berlin studierte ich Politologie und Volkswirtschaft. Später arbeitete ich als Journalist, Referent in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ost-Berlin und war für die Friedrich-Ebert-Stiftung als Koordinator in Kairo und Peking. 2003 übernahm ich die Leitung des Berliner Büros. 1998 gründete ich das ost-west-forum Gut Gödelitz.

Astrid Wirtz-Nacken
Projektleitung

Nach meinem in Köln und Bonn abgeschlossenen Studium der Soziologie, Politologie und Volkswirtschaft war ich fast 40 Jahre als Redakteurin beim Kölner Stadt-Anzeiger tätig. Innerhalb und außerhalb des Hauses moderierte ich zudem als Gastgeberin Podien zu außen- und innenpolitischen Themen. Vor allem im Bereich Integration und Zuwanderung. Ich unternahm zahlreiche Recherchereisen ins In- und Ausland. Bei vielen dieser wunderbaren Begegnungen machte ich die Erfahrung: Menschen aus verschiedenen Kulturen und von unterschiedlicher Herkunft gehen zwar manchmal täglich miteinander um, wissen aber eigentlich kaum etwas übereinander. Das gilt auch für unser Land. Selbst unter meinen Freunden gibt es noch immer viele, die keine Menschen mit einem Migrationshintergrund zu ihrem inneren Kreis zählen. Wie kann das sein? Wie soll da ein echtes Miteinander und Vertrauen zueinander wachsen? Wie kann man diese unsichtbaren Grenzen einreißen? Wie kann man Vorurteile abbauen, Missverständnissen und  unrealistischen Vorstellungen vom Leben der anderen entgegensteuern und Gelegenheiten schaffen, sich besser kennenzulernen? Eigentlich doch nur an Orten, an denen man sich gegenseitig zuhört.

Als Axel Schmidt-Gödelitz mich 2012 fragte, ob ich mir vorstellen könnte,  Gesprächsrunden nach dem Gödelitzer Biografiemodell in Nordrhein-Westfalen zu organisieren und zu moderieren, hatte ich sofort das Gefühl, dass das der richtige Ansatz ist, Menschen wirklich für einander zu interessieren. Wer zuhört, denkt und fühlt mit. Das öffnet den Weg zu einem anderen Menschen und ändert die Bilder in den Köpfen. Mittlerweile organisieren wir als Moderatorenteam die Gespräche in sechs Städten; viele hundert Menschen mit und ohne Migrationshintergund haben sich in den Jahren kennengelernt. Vielfältig finanziell unterstützt, sei es von Bildungsorganisationen, der Landesregierung, Firmen oder Privatpersonen. Wir alle bilden ein lebendiges Netzwerk, mit aktiven Hilfen und neuen Freundschaften. Bei vielen, so sagen sie selbst, haben die Erfahrung des Gesprächswochenendes und die anschließenden regelmäßigen Treffen die Blickrichtung geändert. Auch ich fühle mich durch die vielen Leben, die ich kennenlernen durfte, zutiefst bereichert.

Zahide Sarikas
Projektleitung

Geboren bin ich 1964 im ostanatolischen Elbistan. Als Mitglied der „Generation Kofferkinder“ kam ich im Alter von 14 Jahren nach Deutschland, wo mein Vater schon seit Jahren in der Schwerindustrie (Mannesmann in Duisburg) arbeitete. Nach der Schule habe ich zunächst eine Ausbildung als Erzieherin gemacht; zugleich war ich in der kurdischen Community politisch und kulturell aktiv. Mit Unterstützung deutscher Einrichtungen habe ich auch Alphabetisierungskurse für türkeistämmige Frauen ins Leben gerufen und geleitet, um ihnen so das Leben im unbekannten Land zu erleichtern. Auch meine Eltern waren Analphabeten, und mir war schon als Kind klar, wie stark die Chancen sozio-ökonomischer und kultureller Teilhabe davon beeinflusst sind.

Seit 1986 ist Konstanz am Bodensee meine Heimat. Hier war ich zunächst als Unternehmerin tätig; seit Jahren fördere ich bei der Arbeiterwohlfahrt die soziale und kulturelle Integration von Migrantinnen, vor allem von geflüchteten Frauen aus dem Nahen Osten und Afrika. Kürzlich habe ich ein Aufbaustudium Migration / Integration abgeschossen. 2011 war ich als Landtagskandidatin der SPD aufgestellt und bin seit 2013 als „Stimmkönigin“ in den Gemeinderat und in den Kreistag gewählt worden.

Seit 2010 leite ich die Biografiegespräche für Deutsch- und Türkeistämmige nach dem Gödelitzer Modell in Konstanz. Ab 2014 habe ich in acht Städten in Baden-Württemberg und Bayern eine Infrastruktur für Biografiegespräche aufgebaut: als Mentorin und Ausbilderin habe ich Dutzende Moderator*innen für solche Initiativen auch bundesweit geschult, und unsere Erfahrungen in mehrere EU-Projekte eingebracht. Biografiegespräche für Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte habe ich allerorten als Katalysator für gegenseitiges Verständnis und, dank der intensiven Begegnungen über ein ganzes Wochenende, als Grundlage für neue Freundschaften und als Ausdruck der neuen, kulturellen Vielfalt in Deutschland erfahren.

Sie wollen mitmachen?

Teilen Sie mit uns Ihre Biografie und werden Sie Teil weiterer Biografien, indem Sie an einem Gesprächswochenende teilnehmen. Wir laden Sie herzlich ein! Unser Projekt wird durch Förder- und Spendengelder finanziert und die Teilnahme ist damit kostenlos.